Weniger Kirchenbänke, mehr Licht und Fokus auf die Gemeinschaft: Vertreterinnen und Vertreter der Pfarrei und der katholischen Kirchgemeinde Rheineck sagen, welche Chancen in der Renovation ihrer Kirche stecken.
Noch wird das grosse Kreuz von einem Baugerüst verdeckt. Es ist laut und staubig, die Handwerker wuseln in der Kirche herum. Kaum vorstellbar, dass schon ab Juli hier wieder Gottesdienste gefeiert werden. Doch die zentralen Elemente sind bereits sichtbar: «Der Kreisgedanke der runden Kirche kommt jetzt auch im Innern besser zur Geltung», freut sich Hannah Audebert, Pfarreibeauftragte. Die Kirchenbänke sind neu im Halbkreis angeordnet, der Altarraum ist mehr in die Gemeinschaft integriert. Hannah Audebert zeigt auf die bunten Kirchenfenster. Auch diese wurden restauriert: «Das Spiel der Farben ist sehr stimmig.» Für Audebert bringen diese Farben eine wichtige Botschaft zum Ausdruck: «Das ist für mich so wie ein Eintauchen ins Bad der Liebe Gottes.»


Mehrheit für Renovation
Für die Sanierung der Kirche waren 3,8 Millionen Franken budgetiert, drei Millionen davon übernimmt der Katholische Konfessionsteil des Kantons St. Gallen. Trotzdem winkten die Rheinecker Kirchbürgerinnen und Kirchbürger das Projekt nicht ohne Konflikte durch. Es mussten mehrere Versammlungen einberufen werden. «Schliesslich war die Mehrheit klar für die Restaurierung», so Kirchenverwaltungspräsident Albert Schumacher. «Für Gesprächsstoff sorgte eher die Unterkirche.» Kritikerinnen und Kritiker wünschten, dass auch dieser Versammlungsort renoviert wird. «Das hätte das Budget gesprengt.» Die Herausforderung habe darin bestanden, den Asbest zu sanieren. «Dies allein hat bereits eine Million Franken verschlungen.»

Flexible Nutzung
Noch eine andere Frage drängt sich auf: Die Gottesdienste sind nicht mehr so gut besucht wie früher. Diese Entwicklung ist auch in Rheineck zu spüren. Ist es sinnvoll, so viel Geld in eine Kirchenrestauration zu investieren? Daran hat keiner der Anwesenden einen Zweifel. «Die Kirche ist für unsere Stadt ein wichtiges Gebäude», betont Albert Schumacher. Die gegenwärtige Entwicklung sei bei der Kirchengestaltung mitberücksichtigt worden. «So haben wir zum Beispiel die Anzahl Kirchenbänke reduziert», erklärt Architekt Markus Fulterer. Im hinteren Teil der Kirche ist somit eine zusätzliche Fläche entstanden, die flexibel genutzt werden kann wie beispielsweise für Apéros nach dem Gottesdienst.


Einladender Charakter
Für den Architekten war es wichtig, sich an der Idee von Otto Linder zu orientieren. Dieser hatte die 1932/33 erbaute Kirche entworfen. «Ich wollte eine Kirche konzipieren, die den Bedürfnissen unterschiedlicher Zielgruppen gerecht wird.» Die Kirche soll nicht nur für den Gemeindegottesdienst, sondern auch für neue liturgische Formen genutzt werden können. Fulterer denkt zum Beispiel an Taizé-Gebete. «Wir wollten aber auch die Kirche als Ort der Stille und des Gebets stärken.» Die Kirche ist jetzt heller und hat damit einen stärker einladenden Charakter. Neu verfügt sie über einen barrierefreien Zugang und auch die Akustik wurde verbessert.

Chance für die Ökumene
Mehr als ein Jahr mussten die Rheinecker Katholikinnen und Katholiken ohne Kirche auskommen. Unterschlupf fanden sie in der evangelischen Kirche. Auch bei den Reformierten wird die Gottesdienstgemeinschaft kleiner. Wäre da nicht gleich der Entscheid für eine gemeinsame Kirche das sinnvollere Zukunftsmodell gewesen? «Die Ökumene hat bei uns vor Ort einen grossen Stellenwert», hält Susanne Mäder, Präsidentin des Pfarreirats Rheineck, fest. «Ich habe mich während der Renovation in der evangelischen Kirche wohlgefühlt. Aber langfristig würden mir dort die Symbole fehlen, die für die katholische Spiritualität typisch sind.» Hannah Audebert formuliert einen Wunsch: «Ich würde mir wünschen, dass die Pfarrei eine Kultur der Gastfreundschaft lebt. Auch die Reformierten sollen von der restaurierten katholischen Kirche profitieren.» Kirchenratspräsident Albert Schumacher hofft, dass die renovierte Kirche neue Impulse für die Pfarrei und auch die Stadt Rheineck setzt: «Die Kirche kommt frischer daher und spricht damit hoffentlich auch jüngere Menschen wieder vermehrt an.»
20. Juni 2022
Text: Stephan Sigg
Bilder: Ana Kontoulis
Die Kirche umarmen
Bischof Markus Büchel wird am 3. Juli (9.30 Uhr) bei einem Festgottesdienst den Altar der renovierten Kirche weihen. Anschliessend sind Festansprachen, ein gemeinsames Mittagessen und Kirchenführungen geplant. Alle Mitfeiernden werden die Kirche «umarmen» und bunte Luftballons in den Himmel steigen lassen. Um Anmeldung wird gebeten: www.kath-rheineck.ch

