Keine Diskriminierung von Transgender und non-binären Personen und Nein zu Geschlechterklischees. Die St.Gallerin Silja Balmer (25) hat am neuen Jubla-Grundlagenpapier «Gender» mitgearbeitet. Die katholische Kinder- und Jugendorganisation will damit mehr Bewusstsein für die Geschlechter-Vielfalt schaffen.
«Wir wollen in der Jubla Kindern und Jugendlichen eine ganzheitliche Entwicklung ermöglichen und die Entwicklung
der Geschlechtsidentität ist ein wichtiger Teil davon», sagt Silja Balmer, ehemalige Scharleiterin beim Blauring St.Gallen-Riethüsli. «Mir sind die Themen Gleichberechtigung und Vielfalt der Geschlechterrollen persönlich sehr
wichtig.» Deshalb hat es die Pflegefachfrau sehr begrüsst, dass Jubla Schweiz im vergangenen Jahr ihr Gender-Grundlagenpapier überarbeitet und die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse aufgenommen hat. Die Arbeitsgruppe, die das zweiseitige Papier mit Unterstützung von Expertinnen und Experten bearbeitete, bestand aus zehn Jubla-Vertreterinnen und ‑vertretern aus der ganzen Deutschschweiz. Neben Silja Balmer war mit Michelle Agiatello aus Eschenbach SG eine zweite St. Gallerin dabei.
«Für Jubla ist jedoch klar, niemanden auf sein biologisches Geschlecht zu reduzieren», betont Silja Balmer. Wenn ein Kind oder ein Jugendlicher* Transgender oder intergeschlechtlich (non-binär) ist, könne diese Person wählen, ob es sich bei Jungwacht oder Blauring mehr zugehörig fühle.
Nicht nur zwei Geschlechter
Jubla ermöglicht Kindern und Jugendlichen nicht nur Gemeinschaftserlebnisse. Die Organisation will auch ein Bewusstsein für Gleichberechtigung vermitteln und die Vielfalt der Geschlechterrollen sichtbar und erlebbar machen. Das Grundlagenpapier sensibilisiert dafür, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt. «Es gibt Menschen, die ihre Geschlechtsidentität weder männlich noch weiblich zuordnen. Dieser Aspekt war im alten Grundlagenpapier noch nicht zu finden», so Silja Balmer. In der aktualisierten Version räumt Jubla selbstkritisch ein, dass lokale Jubla-Angebote oft eine binäre Geschlechterstruktur widerspiegeln. «Für Jubla ist jedoch klar, niemanden auf sein biologisches Geschlecht zu reduzieren», betont Silja Balmer. Wenn ein Kind oder ein Jugendlicher* Transgender oder intergeschlechtlich (non-binär) ist, könne diese Person wählen, ob es sich bei Jungwacht oder Blauring mehr zugehörig fühle.
Buben kochen
Seit eh und je sind viele Angebote der Jubla geschlechtergetrennt. «Jungwacht und Blauring sindin den letzten Jahren nicht nur auf nationaler Ebene, sondern auch in den Pfarreien immer mehr zusammengewachsen», weiss Silja Balmer. Doch geschlechtergetrennte Gruppenstunden sind vielerorts noch immer die Regel. Das sei auch nicht per se problematisch. «Buben und Mädchen werden manchmal gerade noch mehr mit Geschlechterfragen konfrontiert, wenn sie unter sich sind: Bei einem reinen Buben-Lager müssen auch die Buben Aufgaben übernehmen, die sie sonst traditionellerweise den Mädchen überlassen würden wie zum Beispiel kochen und abwaschen», hält Silja Balmer fest. «Bei geschlechtergemischten Lagern soll vermieden werden, dass die Buben automatisch die Zelte aufbauen und alle Mädchen zum Blachen knüpfen eingeteilt werden.»
Stereotype aufbrechen
Der Umgang mit Gender-Themen sorgt oft für kontroverse Diskussionen. Doch die Rückmeldungen auf das neue Grundlagenpapier seien mehrheitlich positiv ausgefallen. «Inwiefern das Papier in den Scharen vor Ort thematisiert und umgesetzt wird, hängt natürlich von der Sensibilität der Verantwortlichen ab. Da gibt es sicher grosse Unterschiede», sagt Silja Balmer, «Aber das Papier ist ein Beitrag, damit alle das Thema im Blick behalten.» In vielen Scharen sei es schon länger Standard, bei den verschiedenen Anlässen und Aktivitäten Geschlechterstereotype aufzubrechen: «Das schlägt sich zum Beispiel auch auf die Lagermottos nieder: Es wird darauf geachtet, dass auch weibliche Märchenfiguren eine starke, aktive Rolle haben. Zum Beispiel rettet die Prinzessin den Prinzen und nicht umgekehrt.» In ihrer Schar gehe man sehr achtsam mit Gender-Themen um. Die Jubla St.Otmar-Riethüsli setzt unter anderem auf eine geschlechtergerechte Sprache – in Briefen, aber auch in der mündlichen Kommunikation. Das Grundlagenpapier wurde an der Bundesversammlung im Herbst 2020 verabschiedet – ohne Gegenstimme.
Jubla-Haltungspapier Gender
«Wir nehmen unsere gesellschaftliche Mitverantwortung wahr, die wir als Kinder- und Jugendverband bei Geschlechterthemen haben. Wir anerkennen die Vielfalt von Geschlechtsidentitäten und machen diese Vielfalt sicht- und erlebbar, sodass sich jede Person willkommen fühlt. Wir fördern die Gleichstellung aller Geschlechter und verurteilen jede Form von Benachteiligung aufgrund des Geschlechts.» (aus dem Jubla-Haltungspapier«Gender»)
Text: Stephan Sigg
Bild: zvg