Warum entscheiden sich heute Paare für eine kirchliche Hochzeit? Wie begleiten die Seelsorgerinnen und Seelsorger Paare? Und welche Ehevorbereitungsangebote gibt es?

«Für die kirchliche Trauung haben wir uns ganz bewusst entschieden»
Nur noch knapp drei Monate bis zum grossen Tag: Katja Rimle und Michael Götti stecken mitten in den Vorberei-tungen für ihre Hochzeit, die sie im Juni feiern werden. Auch wenn beide früher ministriert haben und ihre Eltern auf eine katholische Erziehung Wert gelegt haben, stand für sie nicht automatisch fest, dass sie in der katholischen Kirche heiraten. «Wir haben die Hochzeitsmesse in St.Gallen besucht und uns über die verschiedenen Ange-bote informiert», erzählt Katja Rimle, «irgendwie hat es sich für mich am Anfang nicht ganz ehrlich angefühlt, einfach einen katholischen Priester anzufragen und die katholische Kirche zu ‹nutzen›. Michael und ich sind ja sonst auch nicht regelmässige Kirchgänger.» In einer Sache waren sich die beiden einig: Nur vor dem Staat heiraten, das genügt nicht. «Das wäre ja nur etwas rein Formales.» Nachdem die beiden die Hochzeitspläne miteinander diskutiert hatten, haben sie sich dann doch für eine «katho-lische» Trauung entschieden: «Gespräche mit dem katholischen Pfarrer aus unserer Pfarrei und einem Mönch von der Insel Werd, wo die Trauung statt finden wird, haben uns bestärkt.» Die beiden sind seit bald zehn Ja hren ein Paar. «Natürlich haben wir uns da auch über Glau-bensfragen unterhalten und wussten, was der andere denkt und glaubt.» Aber als es um die Entscheidung für eine kirchliche Trauung ging, habe man da nochmals neu über den Glauben diskutiert.
Eine gute Vorbereitung
Zur Hochzeit haben die beiden über hundert Gäste eingeladen. «Man könnte ja heutzutage damit rechnen, dass da irritierte Kommentare kommen: Warum heiratet ihr katholisch?», merkt Michael Götti an, «aber offensichtlich stellt diese Tradition auch heute niemand in Frage. Es gab keine einzige überraschte oder kritische Rückmeldung. Im Gegenteil: Ich glau-be, für viele gehört das mit einem feierlichen Gottesdienst in der Kirche immer noch dazu.» Das Paar hat im Februar am Impulstag, den das Bistum St.Gallen zur Vorbereitung auf die kirchliche Trauung anbietet, teilgenommen. «Dieser Tag hat uns viel gebracht», sind sich die beiden einig, «es war eine Gelegenheit, sich wieder mal ganz bewusst mit seiner Beziehung auseinanderzusetzen.» Es habe sie beeindruckt, wie lebensnah und praktisch die Kur-sinhalte waren. «Wir wurden angeregt, uns über unsere Werte oder das Kommunikationsverhalten in unserer Beziehung Gedanken zu machen.» Es sei auch spannend gewesen, die anderen neun Paare, die am Kurs teilnahmen, mit ihren Erfahrungen kennen zu lernen. Auch die Gespräche mit dem Priester, der sie traut, bezeichnen sie als eine positive Erfahrung mit Kirche. Auf den Priester wurden sie durch eine Empfehlung aus dem Freundeskreis auf-merksam. «Wir durften von Anfang an unsere Wünsche und Vorstellungen einbringen, wir hatten nie das Gefühl, dass man uns etwas auf-drücken will», sagt Katja Rimle. Der Ablauf des Gottesdienstes wird gemeinsam erarbeitet, zum Beispiel werden Familienangehörige die Fürbitten verfassen. «Es soll feierlich werden, aber nicht so pompös, wie man das aus amerikanischen Filmen kennt.» So wird auch nicht der Vater oder die Trauzeugin die Braut zum Altar führen: «Michael und ich werden ge-meinsam zum Altar schreiten», so Katja Rimle schmunzelnd.
«Viele Brautpaare sind heute durch die Hochzeiten in TV-Serien und Filmen geprägt»
Fünfzehn bis fünfundzwanzig Brautpaare traut Erich Guntli, Pfarrer der Seelsorgeeinheit Werdenberg, pro Jahr. Als Seelsorger ist es ihm wichtig, offen für die Wünsche und Bedürfnisse der Paare zu sein und ihnen mitzugeben, wie viel in der Zusage „Ja, ich will“ steckt.
Schon seit dreissig Jahren begleitet und traut Erich Guntli Brautpaare. „Ich nehme wahr, dass die Hochzeiten in Spielfilmen und TV-Serien und deren Verständnis von Liebe und Beziehung viele Menschen enorm geprägt haben“, sagt er, „mir ist es wichtig, ihnen bewusst zu machen, dass eine Liebesbeziehung eben nicht wie im Liebesdrama „Titanic“ ablaufen soll. Symbolisch gesprochen: Man rennt dem anderen hinterher, entflammt und dann geht man unter. Ich versuche den Brautpaaren aufzuzeigen, dass die Entscheidung, mit der Partnerin, dem Partner eine Ehe einzugehen, eine existentielle ist. Es ist nicht nur eine Entscheidung für die Liebe, sondern eine Entscheidung, mit der Partnerin, dem Partner durch das Leben zu gehen.“ Da gehe es um das Ernstnehmen von grundsätzlichen Werten wie Treue und Verlässlichkeit. Bei der Begleitung der Brautpaare versucht Erich Guntli sie zu motivieren, an dieser Entscheidung festzuhalten, anstatt dann „tiefbetrübt Rosamunde-Pilcher-Filme zu schauen und ein Ideal zu vermissen, dass es nicht gibt.“
Die Liebe als Geschenk
Erich Guntli wehrt sich gegen den Vorwurf, dass heute viele den Traugottesdienst als „Show“ inszenieren wollen. „Natürlich leben wir heute in einer Eventgesellschaft und manche machen auch aus ihrer Hochzeit einen Event. Aber warum wollen sie dann gerade in der Kirche heiraten und sich von einem Priester trauen lassen?“ Und selbst wenn das so sei, sei es die Aufgabe des Seelsorgers, aus dieser Show etwas Gehaltvolles mit Tiefe zu machen. „In der Regel findet man einen gemeinsamen Weg.“ Viele Paare seien sich bewusst, welches Geschenk es sei, dass sie sich gefunden haben und gleichzeitig wie zerbrechlich Beziehungen sein können. „Es ist da die Hoffnung, dass einen eine höhere Macht begleitet und schützt.“ Allein die Tatsache, dass und wie sich zwei kennengelernt haben, sei für ihn und oft das Brautpaar etwas, das einen zum Staunen bringt. „Da habe ich schon die verrücktesten Geschichten gehört. Und in diesem Staunen steckt für mich schon etwas Spirituelles, auf das ich die Paare hinweise.“
An Beziehungsgeschichte teilhaben lassen
In den Traugesprächen, die als Vorbereitung auf die Hochzeit stattfinden, erfährt Erich Guntli heute eine grosse Offenheit. „Braut und Bräutigam haben in der Regel keine Probleme damit, wenn ich sie auch mit herausfordernden Themen konfrontiere oder ihnen bewusst mache, dass die grösste Herausforderung für eine Ehe heute oft die Zeit nach der Kinderphase ist.“ Nur manchmal hätte er die Aufgabe, Illusionen zerstören zu müssen. „Es ist für mich immer wieder schön zu sehen, wie viel Freude, positive Energie und Hoffnung die Brautpaare ausstrahlen“, sagt er, „und für mich ist es ein Geschenk, dass ich bei diesen Gesprächen Einblicke in die Lebenswelt einer anderen Generation bekomme.“ Durch sie sei ihm zum Beispiel bewusst geworden, unter welchem beruflichen Druck heutige Paare stehen. „Im Gegensatz zu früher, als man geheiratet hat, um zusammenziehen zu können, entscheiden sich heute viele Paare für die Hochzeit, wenn die Familiengründung ansteht“, beobachtet Erich Guntli, „jetzt wird geheiratet und dann sollen die Kinder kommen. Aber was ist, wenn das nicht wie geplant klappt?“ Das könne zu einer Zerreissprobe für die Vermählten werden. Auch wenn er manche Paare erst bei der Taufe er Kinder wiedersehe, spüre er oft von ihnen ein Bedürfnis, den Pfarrer am weiteren Verlauf ihrer Beziehungsgeschichte teilhaben zu lassen. Nicht selten komme es vor, dass er von ihnen nach der Trauung Freundschaftsanfragen bei Facebook erhalte. „Und dann schreiben sie mir auch ab und zu Nachrichten.“
„Es geht heute fast ein bisschen unter, dass die Trauzeugen, aber auch wir alle Verantwortung für das Brautpaar haben und sie dabei unterstützen müssen, dass die Ehe gelingt. Ihre Beziehung geht uns alle etwas an.“
Erich Guntli
Die Verantwortung der Gemeinschaft
Die kirchliche Trauung wird bewusst mit der Gemeinschaft von Familie und Freunden gefeiert. „Es geht heute fast ein bisschen unter, dass die Trauzeugen, aber auch wir alle Verantwortung für das Brautpaar haben und sie dabei unterstützen müssen, dass die Ehe gelingt. Ihre Beziehung geht uns alle etwas an.“ Hier mangle es heut oft an Vorbildern: „Die verrückten Beziehungsgeschichten von Stars und Sternchen vermitteln heute fast schon den Eindruck, es wäre gar nicht so tragisch, wenn eine Beziehung oder Ehe in die Brüche geht.“ Erich Guntli versucht dies bei der Trauung bewusst zu machen. „Aber auf keinen Fall moralisierend, sondern versteckt in einer Einladung: „Manchmal hilft alles gute Zureden und die besten Tipps nicht, da könnte es eine Chance sein, sie ins Gebet zu nehmen.“ (ssi)
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