Was soll Weihnachten für uns sein?

«In Bildern findet vieles Platz, was die ­biblischen, ­geschriebenen Zeilen zur Weihnachtsgeschichte offen lassen», sagt die Seelsorgerin Ramona Casanova. (Bilder: Nina Rudnicki)

Die St. Galler Seelsorgerin Ramona Casanova hat sich für das Pfarreiforum ­Bilderbücher über die Weihnachtsgeschichte angeschaut. Sie sagt, wie uns Bilderbücher prägen und wieso auch Tiergeschichten funktionieren.

Was können wir aus der Weihnachtsgeschichte und den zahlreichen Bilderbüchern lernen, die jedes Jahr vor der Adventszeit erscheinen? Und könnten die auch Erwachsene interessieren? «Ich bin unbedingt dafür, die Weihnachtsgeschichte auch umzuschreiben oder weiter zu schreiben», sagt die St. Galler Seelsorgerin Ramona Casanova. Auf dem Tisch vor ihr liegen Buchbände, gestaltet mit Vögeln, Eisbären, Engeln, kleinen Hirten und grossen Räubern. «Die eigentliche Weihnachtsgeschichte ist in der Bibel nur wenige Zeilen lang. Die Weihnachtsbotschaft hingegen reicht weit über diese Sätze hinaus.» Es gehe um Hoffnung, Liebe und Frieden und um Werte wie Zuhören, Teilen und Mitgefühl. «Davon können auch Tiergeschichten gut erzählen. Mir ist einfach wichtig, dass in dem Buch die Krippe mit Maria, ­Josef und dem Jesuskind auf irgendeine Weise vorkommt. Das ist der zentrale Unterschied zu reinen Kommerzbüchern, die beispielsweise vom Santa Claus handeln, der Geschenke bringt», sagt sie.

 

Genau hinschauen

Ramona Casanova greift zu einem ihrer Lieblingsbücher mit dem Titel «Die Botschaft der Vögel». Die Seiten zeigen liebevoll illustrierte Vögel in einer verschneiten Winterlandschaft. Sie erinnern sich an die Geburt Jesu und fragen sich, wieso ihnen die Menschen nicht mehr zuhören, wenn sie singend davon erzählen. Die Menschen sind zu beschäftigt, laut und unaufmerksam. Nur die Kinder können noch zuhören und staunen. Ist das eine Metapher für die heutige Zeit? «Definitiv kann man das auch so verstehen, dass im hektischen Alltag wichtige christliche Werte in den Hintergrund geraten», sagt die 33-Jährige. Dieses Buch durchzublättern, tue daher auch Erwachsenen gut und helfe in eine ruhige und sanfte Winterwelt einzutauchen. Im neuen Buch «Der Ölbaum zu Bethlehem» ist es hingegen ein uralter Olivenbaum, der einfach nur dasteht und miterlebt, was um ihn herum über all die Jahrhunderte geschieht. «Wunder passieren im Kleinen. Manchmal muss man daher genau hinschauen, um sie zu bemerken», sagt sie. «Danach sehnen wir uns an Weihnachten, und Stille und Frieden sollten in dieser Zeit ihren Platz haben.»

 

Äusseres und Inneres

Wo genau ist Weihnachten? Auf eine kleine Detektivreise können sich Kinder im Buch «Weihnachten ist ein Geschenk des Himmels» begeben. In der Geschichte freut sich ein Bärenkind auf all die äusseren Dinge wie Lichter, Kekse, Schnee und Geschenke. Etwas versteckt gezeichnet und auch nicht im Text erwähnt finden sich auf den Seiten Hinweise darauf, worum es an Weihnachten auch noch geht: Da ist die Krippe, ein Hirte, das Jesuskind und der Stern am Himmel, der am Ende alles zusammenbringt. Dass zum Beschenktwerden auch das Schenken gehört, davon handelt im erweiterten Sinn «Der kleine Hirte und der grosse Räuber». Unterwegs zur Krippe möchte ein Räuber einen kleinen Hirten ausrauben. Der kleine Hirte aber verschenkt alles, was er hat, an Menschen, die noch weniger besitzen als er. So wird der Räuber während der Reise zunehmend nachdenklicher. Schliesslich kommt er bei der Krippe an, wo er Liebe, Güte und Vergebung spürt. Im Buch «Simons Weihnachten» geht es um Simon, einen Buben, der merkt, dass ihm an Weihnachten irgendetwas fehlt. Er begegnet einem einsamen, armen Mann. Simon teilt mit ihm, was er hat, und erlebt das wahre Weihnachten, zu dem eben auch Wärme, Mitgefühl und Freude am Geben gehören.

 

Schutzlos unterwegs

Wie hat sich ihr persönlicher Bezug zur Weihnachtsgeschichte über all die Jahre verändert? «Die grösste Veränderung kam sicher davon, dass ich selbst Mutter geworden bin», sagt Ramona Casanova, ohne lange nachzudenken. Das habe der Weihnachtsgeschichte für sie nochmals eine tiefere Bedeutung gegeben. «In allen Büchern ist das Jesuskind auf einmal da und liegt in der Krippe.» Welch Wunder es eigentlich sei, unterwegs und schutzlos ein Kind auf die Welt zu bringen, das könne sie erst jetzt nachvollziehen. Still und schlicht erzählt etwa der Klassiker «Die heilige Nacht» vom Wunder in der Einfachheit: Ein Kind wird mitten in Kälte und Armut geboren, und doch erfüllen Licht, Frieden und Wärme die Nacht.

 

 

Die Bücher im Überblick

  • Die Botschaft der Vögel von Kate Westerlund
  • Weihnachten ist ein Geschenk des Himmels von Lisa T. Bergen
  • Der kleine Hirte und der grosse Räuber von Lene Mayer-Skumanz
  • Simons Weihnachten von Anneliese Lussert
  • Das Hirtenlied von Max Bolliger
  • Ein kleiner Engel sorgt für Weihnachtswirbel von Annette Langen
  • Die Weihnachtsgeschichte von Tom Wright
  • Der Ölbaum zu Bethlehem von Susanne Maria Emka
  • Die heilige Nacht von Aurel von Jüchen
Nina Rudnicki
Autorin
Veröffentlichung: 26.11.2025