Leserfrage: Was nützt Me-Time?

«Ich muss ­dringend etwas für mich tun! Deshalb werde ich ehrenamtlich an einem Seminar für 30 Personen kochen.»

Ich hätte etwas ganz anderes erwartet. Zugleich kann ich es gut verstehen: Auch für mich ist Kochen für eine grössere Gruppe ein guter Ausgleich zur gewohnten Arbeit mit Menschen und am Computer. Sich ganz auf eine Sache konzentrieren, mit den Händen etwas tun, anschliessend ein Ergebnis sehen und vielleicht noch positives Feedback bekommen. Ja, das tut mir auch gut.

 

Sich selbst mit Liebe begegnen

Eine «Me-Time» nehmen, etwas für mich tun, mich mir selbst zuwenden und neue Kraft schöpfen, das hat uns auch Jesus schon ans Herz gelegt und selbst vorgelebt. Den Nächsten nur so viel wie uns selbst lieben bedeutet auch, uns selbst mit Liebe begegnen. Jesus hat sich immer wieder Auszeiten genommen, ob in der Nacht auf dem Berg im Gebet oder im Boot mit einem Kissen schlafend, während seine Freundinnen und Freunde ruderten, oder sogar für mehrere Tage in der Wüste. Es ist auch überliefert, dass er sich regelmässig zum Essen bei reicheren Personen einladen liess. Vielleicht hätte er diese Momente auch gern einfach als Wohlfühl-Moment genossen, aber überliefert sind nur die Mahlzeiten, bei denen er von Gott erzählte oder Wunder bewirkte. In diesen Momenten war er eher beim ersten Teil des Liebes-Gebotes: bei der Liebe zu den Nächsten.

 

Me-Time für alle

Als junge Studentin fand ich einmal, ich würde zu viel zu für andere tun. Ich suchte mir etwas nur für mich und schrieb mich für einen Semesterkurs in Rückenmassage ein. Ich schmunzelte, als uns beim ersten Termin gesagt wurde, wir sollten das Erlernte möglichst viel und an möglichst verschiedenen Personen anwenden. Das ganze Semester lang erfreute sich mein Freundeskreis an meinen Rückenmassagen. Meine Me-time tat allen gut. Zeit, in der ich regenerieren kann, in der ich liebevoll mit mir selbst umgehe, kann ganz verschieden aussehen: eine Wanderung oder Velotour, ein Besuch in einer Therme, eine Auszeit in einem Kloster, ein gemütlicher Fernsehabend und manchmal auch einfach nur eine Pause mit einer heissen Schokolade. Und ich weiss: Von Dingen, die mir gut tun, dürfen auch andere profitieren. Das muss sich nicht ausschliessen.

 

Leserfragen an info@pfarreiforum.ch

Bettina Flick
Seelsorgerin Kath. Kirche Obersee
Veröffentlichung: 21.11.2025