Andreas Schambron hat eine eigene Bäckerei in Ebnat-Kappel. Silvio Schambron arbeitet bei einer regionalen Bäckerei mit mehreren Filialen. Vater und Sohn erzählen, wie sich der Beruf und der Wert des Brotes wandelt. Welchen Einfluss haben diese Veränderungen auf die beiden?
70-Stunden-Wochen und die zunehmende Konkurrenz durch die Grossverteiler: Andreas Schambron, wie fanden Sie es, dass Ihr Sohn genau wie Sie Bäcker werden wollte?
Silvio Schambron: Darf ich vorweggreifen? Für mich war von Anfang an klar, dass ich anders als mein Vater nie ein eigenes Geschäft würde haben wollen. Ich habe bei meinem Vater gesehen, was das heisst und wie viel Zeit er in die eigene Bäckerei steckt. Ich habe einen etwas anderen Weg gewählt und arbeite in einer regionalen Bäckerei mit mehreren Filialen. Dort konnte ich mich spezialisieren und bin aktuell Einkaufsleiter. Es ist ein spannender Job mit dem Vorteil, dass ich nach Feierabend auch einfach abschalten kann.
Andreas Schambron: Als klar war, dass du Silvio ebenfalls Bäcker werden wolltest, wollte ich dir das zunächst ausreden. Ich wollte nicht, dass du den Beruf wegen mir lernst. Aber du warst schon überzeugt und da freute ich mich natürlich. Aber ich habe dir empfohlen, die Lehre in einem anderen Betrieb zu machen. Es ist wichtig, eigene Erfahrungen zu sammeln. Für mich ist es beispielsweise nie in Frage gekommen, den Betrieb meiner Eltern zu übernehmen. Sie besassen im aargauischen Rudolfstetten-Friedlisberg eine Bäckerei, zu der ausserdem eine Beiz gehörte. Das war mir aber zu viel. So arbeitete ich an verschiedenen Orten in der Schweiz, bis ich eines Tages eine Bäckerei in Ebnat-Kappel entdeckte, die zum Verkauf aus-geschrieben war. Mittlerweile lebe und arbeite ich hier seit 26 Jahren.
Das Bäckergen scheint in Ihrer Familie zu stecken. Woran erinnern Sie sich am liebsten?
Andreas Schambron: Schon als Kind war ich oft in der Backstube meines Vaters und durfte ihm dabei helfen, Guetzli in Schoggi zu tunken oder abends einen Vorteig zu machen. Am meisten liebte ich aber frischgebackene Bürli. Bereits in der Primarschule war für mich klar, dass ich Bäcker werden würde.
Silvio Schambron: Ich war wohl definitiv auch von meinem Vater vorgeprägt. Als Kind ging ich gerne in der Backstube. Ich liebte die Gerüche in der Weihnachtszeit und dass ich manchmal die Lebkuchen ausgarnieren durfte. Und genau wie mein Vater wusste ich schnell, dass ich etwas mit Lebensmitteln machen und entweder Koch oder Bäcker werden wollte.
Sie sind Bäcker aus verschiedenen Generationen. Führt das zu Meinungsverschiedenheiten?
Andreas Schambron: Das nicht. Aber Silvio denkt bestimmt, ich bin ein sturer Bock. Und ja, in der Tat: Einige der neuen Entwicklungen tun mir im Herz weh, ich bin eben vom alten Korn. Ich bin bekannt für grosse Brote und dafür, dass ich alles frisch backe. In Bäckereien mit Filialen wird das Brot zentral vorgebacken, dann ausgeliefert und in der jeweiligen Filiale fertig gebacken. Damit kann ich mich als klassischer Dorfbeck nicht anfreunden. Ich mache von Anfang bis Ende alles selber.
Silvio Schambron: Meiner Meinung nach schmeckt man da keinen Unterschied. Das Brot kommt frisch aus dem Ofen. In der heutigen Zeit wünscht sich die Kundschaft eine grosse Auswahl verschiedener Spezialbrote. Da müssen gerade grössere Bäckereien mit mehreren Filialen ihre Abläufe optimieren. Im Bereich der Digitalisierung hat sich diesbezüglich in den vergangenen Jahren viel verändert. Von Hand ausgefüllte Backzettel mit Mengenberechnungen für den nächsten Tag gibt es bei uns beispielsweise nicht mehr. Mein Vater und ich können einander aber auch unterstützen: Er kann von meinem Prozessdenken profitieren, ich wiederum von seiner Lebens- und Berufserfahrung und seinem Verständnis für die einzelnen Produkte.
Sie beide arbeiten bei Bäckereien, die jeweils in der Fasten- zeit bei der Aktion «Brot zum Teilen» mitmachen. Mit dem Erlös von 50 Rappen pro Brot werden verschiedene Projekte im Süden unterstützt. Warum dieses Engagement?
Andreas Schambron: Für mich ist das eine Herzenssache, etwas für andere zu tun. Wenn ich mir etwas für die Zukunft wünschen könnte, dann dass sich mehr Menschen auf Werte wie Nächstenliebe zurückbesinnen würden. Ich wünsche mir mehr Gelassenheit und einen respektvolleren Umgang der Menschen miteinander. Mir persönlich hilft dabei mein Glaube.
Silvio Schambron: Ich finde solche Aktionen wichtig. Wir haben eine grosse Verantwortung gegenüber der Zukunft. Als Bäckereien können wir dazu beispielsweise etwas beitragen, indem wir regionale Produkte beziehen wie etwa Toggenburger Mehl, Alternativen zu Palmöl einsetzen oder uns im Bereich Foodwaste weiterentwickeln. Auch dabei profitieren wir von der Digitalisierung und Apps wie «To good to go». Letztere verbindet Kunden mit Restaurants und Läden, die überschüssige und nicht verkaufte Produkte zu einem stark reduzierten Preis anbieten. Aber qualitativ hochstehende Produkte kosten natürlich etwas mehr. Das steht im Gegensatz zum veränderten Kunden-verhalten. Viele Menschen wollen immer weniger für Lebensmittel ausgeben. Das bereitet mir Sorgen. (nar)