Auf dem Berg der Heiligen Ida

Ob zu Fuss, mit dem Velo oder motorisiert: Wer den Weg hinauf zur Iddaburg auf sich nimmt, wird belohnt. Nebst der Kirche erwartet einen eine überwältigende Aussicht. Wer ist die Heilige Idda? Und warum besuchen Menschen den Wallfahrtsort im Alttoggenburg?

«Ich bin Australien-Fan. Wir haben dort die schönsten Strände und eine wunderschöne Natur. Aber so etwas wie hier haben wir nicht.» Auf der Terrasse des Restaurants beim Wallfahrtsort St. Iddaburg bei Gähwil verweist eine Tafel auf die Absturzstelle der Heiligen Idda. Der Blick gleitet hinunter über Gebüsch und Felswand.

 

Die Sonnenstrahlen platziert

Die drei Frauen, von denen eine aus Australien zu Besuch ist, schauen aber in die Ferne. Am Horizont zeichnet sich der Bodensee ab. Davor liegen Hügel und Wälder. «Echt sieht es nicht aus. Eher wie ein Gemälde, auf dem alles ganz bewusst platziert ist. Selbst die Sonnenstrahlen», sagt eine der Frauen. «Die Aussicht ist so wunderschön.»Die Aussicht ist wirklich beeindruckend. Das Beste ist, dass an diesem frühen Freitagnachmittag keine weiteren Besucher auf der Iddaburg sind. Später, kurz vor Beginn der Freitagsmesse, wird sich der Parkplatz vor der Kirche aber füllen. Nun liegt aber Ruhe über dem Ort. Schon auf der «80-Strecke» ab Gähwil ist kein einziges Auto unterwegs. Es herrschen perfekte Bedingungen für Velofahrerinnen und Velofahrer. Zur Iddaburg geht es steil hinauf. Sie liegt auf 966 Metern über Meer. Überall sind Wander- sowie verschiedene Bike- und Velorouten ausgeschildert. Die Regenwolken haben sich gerade erst verzogen und die Erde dampft unter den Sonnenstrahlen, die jetzt auf die Erde knallen. Es gilt Höhenmeter um Höhemeter zu erkämpfen. Je höher man kommt, desto felsiger wird die Umgebung. Auf den Felsen wachsen Bäume und fast hat man den Eindruck, in einer südlicher gelegenen Gegend unterwegs zu sein.

Die Iddaburg ist umgeben von dichtem Wald. Hin und wieder geben die Bäume den Blick bis zum Bodensee frei. In einer Höhle im Wald soll die Heilige Idda eine Zeitlang gelebt haben.

Kraftort auf dem Burghügel

Es ist ein Ort, der einem sofort Kraft und Inspiration gibt. Der Pfarrer Josef Anton Wäspi erwarb 1861 den einstigen Burghügel und liess eine Wallfahrtskapelle sowie ein Pilgerhaus mit Pfarrhaus errichten. 1888 folgte der Bau der Lourdesgrotte, ab 1924 die Vergrösserung des Gasthauses sowie der Neubau von Kirche und Pfarrhaus. Im Innern der Kirche findet sich eine Statue der Heiligen Idda sowie eine Kopie der berühmten Schwarzen Madonna von Einsiedeln. Bis heute ist die Iddaburg ein beliebter Ort für Hochzeiten, Taufen und Konzerte. Jedes Jahr besuchen mehrere Hundert Pilgerinnen und Pilger den Wallfahrtsort.

 

Mit Umbrüchen umgehen

Historisch ist Idda von Toggenburg allerdings kaum fassbar. Der Legende nach lebte sie im 12. Jahrhundert auf der Burg Alt-Toggenburg. Eines Tages legte sie ihren Ehering auf das Fensterbrett. Ein Rabe stahl das Schmuckstück. Idda erzählte ihrem Mann nichts von dem Verlust und hoffte, der Ring würde wieder auftauchen. Als der Graf den Ring am Finger eines Jägers entdeckte, beschuldigte er Idda des Ehebruchs. Er liess den Jäger töten und warf Idda von der Burg in die Schlucht hinunter. Sie überlebte den Sturz unverletzt, widmete ihr Leben fortan Gott und lebte asketisch zunächst in einer Höhle, später in einer Klause beim Kloster Fischingen. Zu ihrem reuigen Mann kehrte sie nie zurück. Idda kümmerte sich um die Armen, unterrichtete Kinder und spendete Rat und Trost. Sie starb um 1200 und wurde neben der Klosterkirche begraben. Ihre Verehrung ist bis heute vor allem regional verwurzelt. «Die Menschen mögen die Erzählung der Heiligen Idda. Viele fühlen sich angesprochen. Auch an den Kerzen in der Kirche merke ich, dass ein grosses Vertrauen besteht und viele Menschen mit ihrem Anliegen hierherkommen», sagt Wallfahrtspriester Walter Strassmann über die Legende, die von Albrecht von Bonstetten vom Kloster Einsiedeln im 15. Jahrhundert zusammengestellt wurde. Wenn heute in der Umgebung der Iddaburg ein Unfall geschehe, danke man der Heiligen Idda. Er erwähnt einen jungen Mann, der von einem Baugerüst stürzte und eine ältere Frau, die mit dem Auto über einen Abhang fuhr. Beide überlebten. Die Legende kann aus heutiger Sicht aber auch als die Geschichte einer Krise, dem Ausschluss aus der Gesellschaft oder als Beispiel für eine Biografie verstanden werden, die nicht linear verläuft. Insofern dient die Heilige Idda als Vorbild. Viele der Besucherinnen und Besucher kommen laut Strassmann privat oder im Rahmen einer Pfarreiwallfahrt aus der Region zur Iddaburg. Auch Wallfahrtsbusse aus der Innerschweiz und dem Berner Oberland, sowie seltener aus Süddeutschland, wo die Heilige Idda vor ihrer Heirat aufgewachsen sein soll, würden die Iddaburg regelmässig anfahren.

Erinnerung an ein Wunder aus dem Jahre 1931
Unterwegs lassen sich zahlreiche Heiligen- und Engelfiguren entdecken.

Durch dichten Wald

Bei der Wallfahrtskirche sind auf Wegweisern nicht weniger als 21 Wanderrouten ausgeschildert. Spontan folge ich dem Wegweiser in Richtung Gähwil und tauche in dichten Wald ein. Eine Abzweigung führt zur Lourdesgrotte. Unter einer Überdachung aus Holz finden sich einige Bänke, Kerzen, ein Altar und eine Marienstatue im Felsen dahinter. Ein schmaler Weg, der mit einem Geländer gesichert ist, führt am Felshang entlang. Die Bäume geben hin und wieder den Blick in die sonnige Ebene hinunter bis zum Bodensee frei. Es gibt auch einen alten Kreuzweg mit Innschriften. Ein anderer Weg führt zurück auf die geteerte Strasse etwas unterhalb der Iddaburg. Mit dem Velo geht es ab jetzt schnell und steil hinunter. Ein Blick zurück unterbricht die Abfahrt nochmals kurz. Hoch oben am Felsen ist ein Engel befestigt. «Die Heilige Idda hat geholfen», steht dort. Und: «Hier ist am 15. August 1931 ein Auto mit 8 Personen 50 Meter in die Tiefe gestürzt. Wunderbarerweise wurde dabei niemand verletzt.» Da kann die Heimfahrt nur gelingen.

Der Legende nach lebte die Heilige Idda im 12. Jahrhundert auf der Burg Alt-Toggenburg

Neues Gasthaus geplant

Eine Tafel mitten auf der Terrasse des Gasthauses St. Iddaburg verweist auf die Absturzstelle der Heiligen Idda. Hans Steuble vom Freundeskreis Iddaburg blickt zum Kloster Fischingen hinunter. Dort befindet sich das Grab der Heiligen Idda. Allerdings ist es leer und es sind keine Reliquien von ihr erhalten. Heute gehört der Wallfahrtsort der Stiftung St. Iddaburg und ist kirchlich dem Bischof von St. Gallen zugeteilt. Der Freundeskreis Iddaburg unterstützt die Stiftung unter anderem ideell und materiell darin, die Anlagen und Gebäude des Wallfahrtsortes langfristig zu erhalten. Der Ort ist ein bisschen in die Jahre gekommen. Das Gasthaus neben der Kirche wird demnächst geschlossen und soll abgerissen werden (siehe Seite 16). Ein Neubau ist geplant. «Es ist wichtig, einen einmaligen Ort wie diesen zu bewahren und in ihn zu investieren», sagt Hans Steuble und führt zum Anschlagbrett bei der Kirche. Dort hängen die Visualisierungen des Projektes «Trinitas». Diese zeigen ein modernes, einladendes Gasthaus mit grossen Fensterscheiben, das sich in die Landschaft einfügt. Das Gebäude hat die Form eines gleichschenkligen Dreiecks, womit es Bezug auf die christliche Symbolik der Dreifaltigkeit, also auf Vater, Sohn und Heiligen Geist, nimmt. Frühestens ab 2028 soll einkehren können, wer zur Iddaburg eine Wallfahrt macht, Zwischenhalt auf einer Pilgerreise einlegt oder etwa eine Wanderung unternimmt.

Die Iddaburg ist das Ziel von vielen Wander- und Bikewegen, sie eignet sich auch für Ausflüge mit Kindern.

Unterwegs zur Iddaburg

1. Für wen ist die Iddaburg sonst noch ein Kraftort und welche schönen Ecken gibt es sonst noch im Alttoggenburg zu entdecken? Spontan gibt Jürg Bannwart vom Radclub Kirchberg Auskunft. Er fahre Rennvelo, nehme an Marathons und Trailläufen teil und nutze die Region daher sehr aktiv, sagt er. Nebst der Iddaburg nennt er das Flachmoor Turpenriet zwischen Kirchberg und Tüfrüti oder die Feuerstelle im Geisswald bei Kirchberg. «Meine Lieblingsorte haben alle eine sensationelle Weitsicht, meist in die Berge wie die Churfirsten», sagt er. Wenn er während seiner Laufrunden bei der Iddaburg vorbeikomme, geniesse er die Natur, welche ihm viel Kraft gebe.

 

2. Wer gemütlicher oder mit Kindern unterwegs ist, könnte auch eine Pause beim Grillplatz Altbach in Kirchberg einlegen. Die Stelle liegt im Wald auf einem kleinen Plateau. Unterhalb fliesst der Altbach durch eine kleine Nagelfluh-Schlucht. «Es ist ein schöner Ort, den wir schon mit dem Blauring genutzt haben», sagt Scharleiterin Jana Kümin aus Gähwil. Ihren Lieblingsort erreicht man, wenn man vom Waldrand bei Gähwil Richtung «Stääge» durch den Wald läuft. «Nach einiger Zeit, kommt man auf eine Waldlichtung mit einer kleinen Scheune. Vor allem bei Sonnenuntergang oder Aufgang ist dies ein wunderschöner Ort», sagt sie.

 

Video Iddaburg

 

Bilder: Urs Bucher

Nina Rudnicki
Autorin
Veröffentlichung: 27.09.2025