Sauerteig und Unternehmertum – auf den ersten Blick eine ungewohnte Kombination. Was die zwei Sachen gemeinsam haben, erklärte Bettina Hein am Dienstag an der Jubiläumstagung des Pfarreiforums – das Pfarrblatt im Bistum St.Gallen. Unter dem Motto «Die unternehmerische Kirche» sprach die St.Galler Unternehmerin und Investorin aus der TV-Show «Die Höhle der Löwen» über ihre eigenen Erfahrungen als Start-up-Gründerin. Sauerteig herzustellen sei eine Kunst. «Man fängt klein an und er muss wachsen. Ebenso verhält es sich mit Innovationen.» Bettina Hein ermutigte die Anwesenden, dass in jedem von ihnen Investoren und Unternehmerinnen steckten. Eine Innovation zu entwickeln sei ein Prozess, den jeder lernen könne. Was es dafür brauche seien «viele, viele, viele Ideen». «Es braucht Experimente. Vieles wird in die Hose gehen», so Bettina Hein. Wichtig sei, dann nicht aufzuhören und das «grössere Ziel» im Auge zu behalten. Wie Bettina Hein weiter ausführte, sind drei Dinge wichtig um Unternehmerin oder Unternehmer zu werden: Naivität, Chutzpe – Bettina Hein übersetzt das jiddische Wort mit Unverfrorenheit und Mut – und Durchhaltewille. «Letzteres ist das schwierigste. Denn es geht immer länger, als man denkt.» Der Kirche gibt Bettina Hein den konkreten Tipp, die Menschen dort abzuholen, wo sie sind. Die Ur-Bedürfnisse der Menschen hätten sich nicht geändert. «Wir müssen diese nur neu und kreativ interpretieren.» Bettina Hein verweist darauf, was die Kirche gerade auch im sozialen Bereich leistet. «Dies verdient Anerkennung.»
Auf gute Nachrichten setzen
Der Anlass zum 30-jährigen Bestehen des Pfarreiforums stand ganz unter dem Motto «Kommunikation überraschend» und zog rund 80 Gäste ins Collektiv in St.Gallen. Diese konnten an drei Workshops teilnehmen. Unter dem Motto «Auf gute Nachrichten setzen» motivierten die Redaktionsmitglieder Nina Rudnicki und Stephan Sigg guten Nachrichten mehr Raum und Öffentlichkeit zu geben. Sie belegten mit Studien: Die Menschen sind auf der Suche nach «guten», nach «schönen» Nachrichten. Zudem steigt bei den Leserinnen und Lesern der Wunsch nach lösungsorientierten Nachrichten. Das Pfarreiforum versucht stets, sich gerade auf motivierende Geschichten zu konzentrieren. «Wir müssen ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass es überall positive Meldungen gibt, die wir transportieren können», so Redaktionsleiter Stephan Sigg. Zum Beispiel bei Menschen, die sich mit Herzblut in der Kirche engagieren, liege ein grosses Potenzial. Und Sigg verwies darauf: «Es ist doch gerade die Aufgabe der Kirche, die frohe Botschaft zu verkünden. Isabella Awad, Kommunikationsbeauftragte des Bistums St.Gallen, befasste sich mit rund 20 Interessierten mit dem Thema «Auf kritische Fragen reagieren». «Eine Abwehrhaltung ist nicht gut. Es braucht eine proaktive, transparente, klare, empathische Kommunikation im richtigen Rahmen.» Wichtig sei dabei immer, die unterschiedlichen Anspruchsgruppen – intern und extern – und deren teilweise unterschiedlichen Ansprüche zu beachten. «In schwierigen Situationen oder bei schwierigen Fragen empfiehlt es sich, mit den Menschen ins Gespräch zu gehen und gemeinsam Lösungen zu finden», so Isabella Awad. Die Kommunikationsexpertin Antonia Zahner zeigte in ihrem Workshop die Chancen von Künstlicher Intelligenz für die Kirche auf und veranschaulichte, wie KI zur Inklusion und Teilhabe beiträgt indem sie das Verständnis fördere oder wie KI die Administrationen in Unternehmen entlasten kann. Wie Zahner ausführte, sind Teams, die mit KI arbeiten, bis zu 12 Prozent schneller als Teams, die KI nicht nutzen. Zudem steigere die Nutzung von KI die Zufriedenheit von Mitarbeitenden, so Zahner. Punkte, die sich die Kirche für ihre Zukunft merken sollte.
Unterschiedliche Meinungen zulassen
An der Podiumsdiskussion stellten sich Isabel Vasquez von Migratio, Claudia Vetsch von der Daju (Diözesanen Arbeitsstelle für Jugendpastoral im Bistum St.Gallen) und Bischof Beat Grögli den Fragen von Redaktionsleiter Stephan Sigg. «40 Prozent der Gläubigen haben Migrationshintergrund, für viele ist Deutsch nicht Muttersprache», hielt Isabel Vasquez, Nationaldirektorin von Migratio, eine Dienststelle der Schweizer Bischofskonferenz, fest. Oft höre sie, dass sich Pfarreien schwertun, mit Missionen und Anderssprachigen in Kontakt zu kommen. «Da braucht es manchmal Geduld und auch den Mut zu Experimenten.» Sie illustrierte das mit einem einfachen Beispiel: Eine Pfarrei verschickte den Brief mit dem Absender der Spanier-Seelsorge und stiess bei den Spanischsprechenden plötzlich auf Resonanz. Isabel Vasquez ermutigte zu ersten Schritten: «Nicht einfach nur Anlässe der Missionen zu besuchen, sondern auch im normalen Alltag mit ihnen Kontakt aufnehmen und Einblicke in ihren Alltag bekommen.» Eine wichtige Grundlage sei Fremdsprachenkompetenz. «Aber genauso wichtig ist es, im Alltag auf eine einfache, gut verständliche Sprache zu versetzen. Die Texte möglichst kompakt halten, Aufzählungen statt endlose Sätze». Der St.Galler Bischof zeigte sich gewohnt offen und volksnah. Mit Stephan Sigg sprach er von seinen Erfahrungen über eine Kommunikation, die die Menschen erreicht. Er achte immer darauf, authentisch, positiv, fröhlich, reflektiert und ermutigend zu sein. «Jeder Mensch lebt von dem, das ihn freut.» Bischof Beat Grögli ging weiter auf die Spannungen auf der Welt ein. «Es ist eine Bubble-Kultur entstanden. Diese müssen wir aufbrechen. Wir müssen auch unterschiedliche Meinungen zulassen.» Claudia Vetsch vertrat die Sicht der jungen Menschen. Mit dem Projekt Churching.ch hat die Daju ein Angebot für ebendiese Zielgruppe geschaffen – keine einfache Zielgruppe, wie auch Redaktionsleiter Stephan Sigg weiss. «Junge suchen Menschen mit Ecken und Kanten, mit Profil», so Claudia Vetsch. «Wir müssen uns zeigen, ein vis-a-vis sein und von den eigenen Erfahrungen sprechen. So können wir nahbar sein für die Jungen.»
Sieger-Projekt aus Appenzell ausgezeichnet
Im Rahmen des Jubiläums hatte das Pfarreiforum im Frühjahr den Wettbewerb «Was bringt uns zusammen?» initiiert. Gesucht waren Projekte, die die Gesellschaft zusammenbringen und gemeinschaftsstiftend sind. Über 20 Gruppen, Vereine, Einzelpersonen und Institutionen nahmen teil. Am Dienstag wurden schliesslich die drei Gewinner des Wettbewerbes bekannt: Den ersten Platz holte das Projekt «Chomm, vezöll doch!». Dieses hat seinen Ursprung in den sieben Frauengemeinschaften im Kanton Appenzell Innerrhoden, der Bäuerinnen- und Landfrauenvereinigung AI und der Seelsorgeeinheit Appenzell und das Ziel, gemeinsam über psychische Gesundheit sprechen. Das Projekt beinhaltet regelmässige Informations- und Gesprächsabende an verschiedenen Orten im Kanton Appenzell Innerrhoden. Luzia Mock, die den Preis stellvertretend für alle Verantwortlichen entgegennahm, wusste nicht von der Auszeichnung. «Ich bin ein wenig überrumpelt», sagte sie sichtlich erfreut über den Hauptpreis von 3000 Franken. Ebenfalls ausgezeichnet wurde das Projekt «Cup of Color», das durch Kunst Menschen zusammenbringen und Verbindungen schaffen soll. Die Organisation bemalt weltweit zusammen mit Menschen verschiedener Hintergründe Wände und lebt dafür etwa in Flüchtlingsheimen oder Bordellen. Im Rahmen des neuen Projekts «We paint hope - in Jemen!» werden seit November 2024 bis Frühjahr 2027 20 Schulen, Spitäler und Wasserspeicher in gemeinschaftliche Wandkunstbilder gestaltet. Die Mitglieder von «Cup of Color» begleiten jemenitische Kunstschaffende bei der Realisierung der Wandbilder. Über die Auszeichnung und das Preisgeld von 2000 Franken freuen sich die Mitglieder. «Es ist eine Ermutigung, mehr über unsere Arbeit zu erzählen», so Luamar Zwahlen. Als drittes Projekt wurde «Hebet Sorg» ausgezeichnet. Dabei handelt es sich um eine Initiative der drei Jublas Gommiswald, Uznach und Kaltbrunn, die einen Scharanlass zum Thema Nachhaltigkeit durchgeführt haben. Die Drittplatzierten durften sich über ein Preisgeld von 1000 Franken freuen. Das Pfarreiforum wird die Gewinnerinnen und Gewinner in einer der kommenden Ausgaben portraitieren und in naher Zukunft medial begleiten. Die Idee zum Projektwettbewerb hatten die Verantwortlichen nicht ohne Grund. Redaktionsleiter Stephan Sigg erklärt: «Auch das Pfarreiforum hat vor 30 Jahren als kleine Idee von einigen wenigen Personen gestartet. Heute sind fast alle Kirchgemeinden im Bistum St. Gallen dabei und erhalten unsere Zeitschrift. Das bedeutet, dass das Pfarreiforum über die Regionen hinaus verbindet und eine gemeinsame Identität schafft.»
Das Pfarreiforum – 30 Jahre Erfolgsgeschichte
In der Anfangsphase enthielt die Publikation noch Beiträge, die sich eher an ein kircheninternes Publikum richteten. Heute holt die Redaktion die Menschen dort ab, wo sie stehen und versucht auch kirchenfernen Leserinnen und Lesern Zugänge zur christlichen Spiritualität und zur Kirche zu eröffnen. «Wir zeigen auf, wie vielfältig Kirche ist und wo überall Kirche drin ist. Wir bringen Themen, die in anderen Medien kaum Platz haben», sagt Stephan Sigg.
Für die Herausgabe des Mantelteils mit den sechzehn äusseren Seiten mit allgemeinen Texten ist der Verein Diözesanes Pfarrblatt St. Gallen verantwortlich. Die inneren lokalen Seiten liegen in der Zuständigkeit der Pfarreien und Kirchgemeinden. Es kommt im Titel zum Ausdruck: Das Pfarreiforum wird von den Pfarreien und Kirchgemeinden getragen, aber es steht in enger Beziehung zum Bistum. Das Pfarreiforum soll als journalistische Publikation im Bistum St.Gallen die christlichen Perspektiven der Hoffnung und Versöhnung zur Geltung zu bringen. Fragen des Friedens, der Gerechtigkeit und der Bewahrung der Schöpfung sind immer wieder zentrale Themen. Darüber hinaus leistet das Pfarreiforum einen Beitrag zum Meinungsbildungsprozess zu ganz aktuellen und brennenden Fragen in Kirche und Gesellschaft. Das Pfarreiforum zeigt auf, wie der konkrete Alltag aus dem christlichen Glauben heraus gelebt werden kann und was das Evangelium für die heutige Zeit zu sagen hat. Leser*innen finden darin Anregungen und Antworten für ihre vielfältigen Lebenssituationen.
Fotos: Urs Bucher