Feiern in der Sprache von Jesus

Mehrere hundert aramäische Christinnen und Christen aus Syrien, dem Irak, der Türkei und dem Libanon leben in der Ostschweiz. Grössere aramäische Gemeinschaften gibt es in Flums/Sargans, St. Gallen und Wil. Im November gibt es Gelegenheit, ihre Geschichte und Kultur kennenzulernen.

«In der Schweiz leben etwa 7500 aramäische Christinnen und Christen», sagt Martin Halef. «Das Leben in den lokalen Gemeinschaften, die zum Beispiel in Flums, St. Gallen und Wil zu finden sind, ist sehr aktiv.» Die Gläubigen treffen sich nicht nur zum Gottesdienst, sondern auch zu vielen Freizeitaktivitäten in den Vereinslokalen. Hier bestehe die Möglichkeit, sich in der eigenen Sprache zu unterhalten und die Kultur zu leben. Das Kirchenjahr spiele eine wichtige Rolle. «Unser Erzbischof Mor Dionysios Yeshue, Metropolit und Patriarchalvikar für die Schweiz und Österreich, hat seinen Sitz in Arth SZ in einem ehemaligen Kapuzinerkloster», erklärt Martin Halef, selbst Teil der aramäischen Gemeinschaft und Vize-Präsident von «Christian Solidarity International»  (CSI) Schweiz. Sieben Priester sind für die ganze Schweiz zuständig. Die Gottesdienste der aramäischen Christinnen und Christen sind sinnlicher: «Es ist ein Erlebnis für Auge, Ohr und Nase», sagt Martin Halef und lacht. 

 

In der Heimat verfolgt

Ein grosser Teil der aramäischen Gläubigen, die in der Schweiz leben, musste  aufgrund von politischen Unruhen, Krieg oder Verfolgung ihre Heimat verlassen. «Gerade in Syrien und im Irak hat sich die Lage in den letzten Jahren zugespitzt», so Halef. Heute leben laut Halef dort nur noch  zehn Prozent der ursprünglichen christlichen Gemeinschaft. Bis heute gibt es immer wieder Anschläge auf Kirchen oder christliche Einrichtungen. «Die Aramäerinnen und Aramäer in der Schweiz versuchen, sie zu unterstützen, im Gebet und mit konkreten Hilfslieferungen, aber es ist momentan sehr kompliziert, Hilfsgüter in diese Länder zu liefern.» In den Medien werde kaum über die Verfolgung der christlichen Gemeinschaft berichtet. «Daher ist das bei uns auch kaum im Bewusstsein», hält Martin Halef fest. Deshalb zeigt er sich erfreut, dass die Seelsorgeeinheit Walensee sich im November an der nationalen «Redweek» – einer Solidaritätswoche für die verfolgten Christinnen und Christen – beteiligt (siehe Kasten). Er selbst wird in einem Referat Einblicke in die Geschichte und Kultur der Aramäerinnen und Aramäer geben. 

 

Vor fünfzig Jahren versöhnt

Die Syrisch-Orthodoxe Kirche von Antiochien ist eine der sogenannten altorientalischen Kirchen. Sie trennte sich nach dem Konzil von Chalcedon (451 n. Chr.) von der damaligen Reichskirche. Der Streitpunkt war die Christologie, also das Verhältnis zwischen der göttlichen und menschlichen Natur Christi. «Es dauerte leider mehrere Jahrhundete, bis man erkannte, dass Missverständnisse zu diesem Konflikt geführt haben», so Martin Halef. Ein entscheidender Schritt zur Versöhnung war die «Gemeinsame Christologische Erklärung» von 1984 zwischen Papst und Patriarch. «Seitdem bestehen brüderliche Beziehungen, gegenseitige Anerkennung der Sakramente und es finden regelmässige Dialoge statt», so Martin Halef. Diese Versöhnung sei im kirchlichen Alltag angekommen: «Die Ostschweizer Gemeinschaften feiern immer wieder gemeinsame Gottesdienste  mit den katholischen Gemeinschaften.» Er nennt ein persönliches Beispiel: «Ich vertrete als aramäischer Christ meine  Katholische Kirchgemeinde Siebnen im Parlament der katholischen Kantonalkirche SZ.»

 

Vorträge und ­Gottesdienst

Anlässe der Seelsorgeeinheit Walensee mit der aramäischen Gemeinschaft: Donnerstag, 20. November, 19.30 Uhr, kath. Kirche Walenstadt: Vorträge zu den Themen  «Christenverfolgung heute» und  «aramäische Gemeinschaft» von Michael Ragg und Martin Halef, anschliessend Podiumsgespräch und Apéro Riche. Samstag, 22. November, 18.30 Uhr, kath. Kirche Berschis: ökumenischer Gottesdienst mit der Gemeinschaft der aramäischen Christinnen und Christen,  Ref. Kirchgemeinde und kath. Kirche

Stephan Sigg
Leitender Redaktor
Veröffentlichung: 27.10.2025