Die päpstliche Schweizergarde kann auf eine über 500-jährige Vergangenheit zurückblicken. Seit 1506 ist sie für den Schutz des Papstes und seiner Residenz verantwortlich. Das ist eine ehrenvolle und eine unspektakuläre Aufgabe – abgesehen von der imposanten Kulisse, den Heerscharen von Touristen und Pilgern sowie den namhaften Persönlichkeiten aus aller Welt, die beim Heiligen Vater zu Gast sind.
Im Jahr 1527 war alles anders. Nachdem deutsche, spanische und italienische Söldner von Kaiser Karl V. in Norditalien die Verbündeten des Papstes geschlagen hatten, zogen sie gegen Süden. Ausbleibende Soldzahlungen und ungenügende Nahrungsmittelversorgung machten die Truppen zügellos, die Stadt Rom bot ihnen Aussicht auf fette Beute.
Der «Sacco di Roma»
Komplett versammelten sich die 189 Schweizergardisten am Morgen des 6. Mai 1527 zur Verteidigung. Trotz aussichtsloser Lage leisteten sie erbitterten Widerstand. 42 Gardisten gelang es, den Papst über einen geheimen Mauergang in die Engelsburg zu retten. 147 Schweizergardisten haben an jenem Tag ihren Treueeid auf den Papst mit dem Leben bezahlt. Zu ihren Ehren findet noch heute die jährliche Vereidigung der neuen Rekruten am 6. Mai statt.
Der Höhepunkt in meinem Gardeleben
Am Morgen des 6. Mai 2008 ertönen Trommelwirbel vor der Zimmertür. Auf die Heilige Messe im Petersdom folgt die Kranzniederlegung im Ehrenhof. Nach dem Mittag stehen letzte Vorbereitungen und das Anziehen der «Gran-Gala-Uniform» mit Brustpanzer und Helm an. Schlag 17 Uhr marschiere ich im Vereidigungspikett in den Damasushof, wo die Vereidigung stattfindet. Die Eidesformel selbst wird vom Kaplan verlesen und feierlich ertönen jene Worte, die unweigerlich an die Ereignisse vor bald 500 Jahren erinnern: «… bereit, wenn es erheischt sein sollte, für ihren Schutz selbst mein Leben hinzugeben.»
Gelebte Tradition und ein faszinierender Dienst
Die Vereidigung erfüllte mich damals und noch heute mit Stolz. Doch ist dieser Stolz nicht einfach im «Sacco di Roma» begründet. Denn seither hat die Schweizergarde während bald 500 Jahren ihren Auftrag befolgt, ohne dass Krieg und Brandschatzung drohten. Und ich hatte, als ich an der Fahne die drei Schwurfinger emporhob, nicht Kampf und Heldentod vor Augen, sondern den loyalen Dienst für Papst und Kirche heute. Dessen Faszination geht von der gelebten Tradition aus und vom alltäglichen Dienst inmitten einer imposanten Kulisse, im Kontakt mit Heerscharen von Touristen und Pilgern sowie im Empfang von namhaften Persönlichkeiten aus aller Welt.
01. Mai 2022
Text: Clemens Fässler, Schweizergardist 2007–2010
Foto: wikimedia