Wenn alle die Krippe bestaunen

Die Katho­li­kin Sarah Soos­ai­pil­lai aus Rorschach erzählt, wie sie als Kind in ihrer südin­di­schen Heimat Weih­nach­ten feier­te und welche Bräu­che sie bis heute beibe­hal­ten hat.

«Zu Weih­nach­ten in Südin­di­en gehört auf alle Fälle ein Kreuz aus frit­tier­tem Teig», sagt die Rorscha­ch­e­rin Sarah Soos­ai­pil­lai. Und schon steckt die 51-Jährige mitten in ihren Kind­heits­er­in­ne­run­gen an die Advents- und Weih­nachts­zeit. Schon eine Woche vor Heilig­abend ging es mit den Weih­nachts­vor­be­rei­tun­gen jeweils los. Als Erstes form­te ihre Gross­mutter das erwähn­te Kreuz aus frischem Teig und frit­tier­te dieses. «Dann folg­ten frit­tier­te Süssig­kei­ten und herz­haf­te Spei­sen wie Kall­al, Ladoo und Muru­ku», sagt sie. Sarah Soos­ai­pil­lai lebt seit über 20 Jahren in der Ostschweiz. Sie ist Katho­li­kin. In Indi­en gehö­ren 2,3 Prozent aller Menschen dem Chris­ten­tum an. Das frit­tier­te Teig­kreuz ist auch hier Teil jedes Weih­nachts­fests mit ihrem Mann und ihren zwei Töch­tern. «Meine Gross­mutter brach das Kreuz nach der Mitter­nachts­mes­se in klei­ne Stücke und jedes Fami­li­en­mit­glied bekam eines davon», sagt sie.

Als Chor von Tür zu Tür

Die Tage vor Weih­nach­ten sind für Sarah Soos­ai­pil­lai die Zeit, in der man sich auf die Geburt von Jesus vorbe­rei­tet. Es ist ein Ereig­nis, das Hoff­nung auf Frie­den verspricht. «Diese Vorfreu­de teilt man in Indi­en mit der Gemein­schaft und der Nach­bar­schaft», sagt sie und nennt als Beispiel «Carol Singing». Dabei gehen Chöre von Tür zu Tür der katho­li­schen Fami­li­en, um Spen­den für einen guten Zweck zu sammeln. Die Fami­li­en bedan­ken sich mit klei­nen Geschen­ken oder Süssig­kei­ten. «Süsses oder Gebäck schenk­ten wir auch unse­ren hindu­is­ti­schen Nach­barn in meiner Heimat­stadt Erode im Bundes­staat Tamil Nadu. Im Gegen­zug beka­men wir von ihnen etwas, wenn sie das Lich­ter­fest Diwa­li feier­ten.» Auch Krip­pen spie­len in Sarah Soos­ai­pil­lais Weih­nachts­er­in­ne­run­gen eine wich­ti­ge Rolle. Sie lacht und erzählt, wie die Fami­li­en in ihrer Nach­bar­schaft in den Tagen vor Weih­nach­ten wirk­lich gros­se Krip­pen zu Hause aufbau­ten. Nach Weih­nach­ten besuch­te der Seel­sor­ger jeweils alle Fami­li­en und zeich­ne­te die drei schöns­ten Krip­pen aus. «Danach kamen alle Nach­barn vorbei, um die Krip­pen anzuschauen.»

Gewür­ze für den Advent

Gera­de im Advent vermisst Sarah Soos­ai­pil­lai vieles aus ihrer Heimat, etwa die Gewür­ze und Gerü­che. Während des Dezem­bers verkauft sie daher an ihrem Stand auf dem Markt­platz in Rorschach sams­tags nebst Mittags­me­nüs auch Gewürz­mi­schun­gen, deren Zube­rei­tung sie von ihrer Mutter und Gross­mutter gelernt hat. In die Schweiz kam Sarah Soos­ai­pil­lai wegen ihres Mannes, der ursprüng­lich aus Sr. Lanka stammt. Hier arbei­tet sie aktu­ell als Betreue­rin in der Tages­be­treu­ung Rorschach. Zudem enga­gier­te sie sich im Pfar­rei­rat sowie im Eltern­rat an der Primar­schu­le ihrer Töch­ter, orga­ni­sier­te frei­wil­li­ge Turn­stun­den für Kinder und gab Koch­kur­se für Erwach­se­ne. Seit sechs Jahren führt sie den Cate­ring­dienst und den Take-away-Imbiss «Sarahs Indi­an Kitchen».

Karten als Christbaumschmuck

Nach Indi­en ist Sarah Soos­ai­pil­lai über die Weih­nachts­ta­ge mit ihrer Fami­lie noch nie gereist. «Die Feri­en sind zu kurz für so eine lange Reise», sagt sie. Dafür besucht sie mit ihrer Fami­lie jeweils die Mitter­nachts­mes­se in der katho­li­schen Kirche in Rorschach. «Die Mitter­nachts­mes­se gehör­te auch in Indi­en zum Heilig­abend. Der Unter­schied ist aber, dass sie in Indi­en wirk­lich um Mitter­nacht und nicht schon um 22 Uhr, wie vieler­orts hier, gefei­ert wird», sagt sie. Eine Krip­pe gehört für Sarah Soos­ai­pil­lai heute noch zu Weih­nach­ten dazu sowie Gebe­te vor der Krip­pe. «Und wir haben natür­lich einen Weih­nachts­baum mit der übli­chen Deko­ra­ti­on», sagt sie und fügt an: «Das fand ich früher fast schö­ner: Meine Mutter und Gross­mutter schmück­ten den Weih­nachts­baum jeweils mit Post­kar­ten, die uns Verwand­te und Freun­de in der Advents­zeit geschickt hatten. Das war defi­ni­tiv eine ande­re Zeit.»

Text: Nina Rudnicki

Bilder: Ana Kontoulis

Veröf­fent­li­chung: 21. Novem­ber 2024

Pfarrblatt im Bistum St.Gallen
Webergasse 9
9000 St.Gallen

+41 71 230 05 31
info@pfarreiforum.ch