In der Kathedrale St. Gallen ist seit Ausbruch des Krieges von Russland gegen die Ukraine eine Christus-Ikone des Ukrainischen Künstlers Oleg Pona aufgestellt.
Sie lädt zum Gebet für Frieden und Versöhnung ein. Dompfarrer Beat Grögli ist seit 1996 mit dem Maler der Ikone befreundet, bei Redaktionsschluss war der Kontakt zu ihm, seiner Frau Lesia und den Töchtern Olga und Sophia noch möglich.
Mehr Menschen als sonst besuchen in diesen Tagen die Kathedrale, diese Beobachtung gilt auch für viele andere Kirchen. Gläubige zünden Kerzen an, beten, sitzen in der Stille, feiern Gottesdienste mit. Der Dompfarrer spricht von einer Zunahme von bis zu 60 Prozent. Der Krieg hat auch in der Schweiz das Grundvertrauen in ein friedliches Europa erschüttert. Fassungslosigkeit und Sprachlosigkeit mischen sich, insbesondere bei betagten Menschen die als Kinder den zweiten Weltkrieg erlebt haben, mit der Angst vor weiteren Eskalationen.
Wie ein Glaubensbekenntnis
In der ostkirchlichen Ikonen-Tradition zeigt Christus meistens auf denselben Text in der Bibel: «Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben» (Joh 9,5). «Das ist ermutigend, weil aus dem Goldgrund der Ikone dieses Licht entgegenleuchtet», sagt der Dompfarrer. Ikonen werden deshalb auch «Fenster zur Ewigkeit» genannt. Die weiteren Buchstaben sind wie ein Glaubensbekenntnis: JC JX – diese griechischen Buchstaben bedeuten Jesus Christus. Die Buchstaben im Heiligenschein bedeuten: Der Seiende – der Ich-bin-da. «Wenn ich eine Christus-Ikone betrachte und vor ihr bete, ist das mein grosser Trost: Gott ist der Ich-bin-da. Immer ist er da – in dem, was mich sorgt, und in dem, was mich freut. Das gibt einen grossen Halt – vor allem, wenn die Welt so verrückt ist wie jetzt», sagt Beat Grögli nachdenklich. Beten heisse, sich und die eigene Welt mit Gott in Verbindung bringen, nichts aussen vor zu lassen. Der Dompfarrer glaubt daran, dass sich in dieser Verbindung mit Gott Dinge klären und wandeln können.
Mit Comics kommunizieren
Er sorgt sich in diesen Tagen sehr um seinen Freund Oleg mit Familie, der in L’viv (Lemberg) lebt, bisher eine attraktive Touristendestination in der Westukraine. Sein erster Kontakt mit ihm war 1996, seither gab es Besuche hier und dort sowie zwei Ikonen-Ausstellungen in Wil und St. Gallen. Beat Grögli ist auch nach Kriegsausbruch mit Oleg Pona in Kontakt und erfährt aus erster Hand, wie bedrohlich die Lage der Menschen ist. Mit dem Künstler kann sich der St. Galler Priester bis heute in keiner gemeinsamen Sprache unterhalten: «Er spricht weder Englisch noch Deutsch, ich kenne lediglich ein paar Wörter Ukrainisch oder Russisch», erzählt er. «Wir reden mit Händen und Füssen, mit den Augen und mit unseren Herzen». Mittels zeichnen von Comics führen die beiden zudem intensive politische Diskussionen.
Wie lange die Ikone von Oleg Pona noch im Kathedralraum stehen wird, ist bei Redaktionschluss offen. In aller Welt beten die Menschen weiterhin für Frieden und Versöhnung. Oder um ein Wunder.
In der Schutzengelkapelle sind Ikonen von Oleg Pona ausgestellt. Der gesamte Erlös aus dem Verkauf der Ikonen kommt der Nothilfe in der Ukraine zugute.
(sar)