Wenn nicht der Tod sie scheidet

Nach einer Tren­nung wieder neuen Lebens­mut finden? Das ist schwie­rig, aber möglich, wenn man die vier Phasen der Tren­nung bewusst durch­wan­dert. Hilfe bietet das kirch­li­che Semi­nar «Trennung/Scheidung». Das Pfar­rei­fo­rum war am Abschluss­abend in Sargans dabei.

Das Semi­nar ist vorbei. Quint­essenz: Alle haben Kraft­quel­len gefun­den, neue Schrit­te gewagt und neuen Mut gefasst. Auch der Kontakt unter­ein­an­der hat sie berei­chert und gestärkt. Kein Wunder, immer­hin haben alle das glei­che Schick­sal erlit­ten, wenn auch in unter­schied­li­cher Prägung. Während bei B. die psychi­sche Erkran­kung der Part­ne­rin verbun­den mit einer Sucht­pro­ble­ma­tik zur Tren­nung führ­te, hat dies bei den ande­ren ande­re Grün­de. Matthi­as Koller Filli­ger, einer der beiden Semi­nar­lei­ter, legt am Boden noch­mals die vier Trau­er­pha­sen aus. In der Betrach­tung machen sich die Teil­neh­men­den bereits Gedan­ken, in welcher Phase sie jetzt stecken. Bei R. ist immer noch viel Wut mit im Spiel. «Das ist doch feige, dass er das Tele­fo­nat nicht entge­gen­nimmt, wenn ich anru­fe», sagt sie. A. hatte zwar ein gutes Tele­fo­nat mit ihrem ehema­li­gen Schwie­ger­va­ter, möch­te aber derzeit lieber keinen Kontakt mehr mit ihm. Nach­dem sie mehr­mals dessen Anru­fe nicht entge­gen­ge­nom­men hatte, wurde vorwurfs­voll nach den Grün­den gefragt. «Muss ich mir denn Dinge über meinen Ex anhö­ren, die ich gar nicht wissen möch­te?», fragt sie rheto­risch. Verge­bung – auch sich selbst zu verge­ben, das ist ein Prozess der Zeit braucht. «Die Lösung liegt in euch selbst», gibt Matthi­as Koller Filli­ger allen mit auf den Weg, nach­dem er ihre eige­nen Worte zitiert hat.

Matthi­as Koller Filli­ger legt die vier Phasen der Tren­nung offen. Nach der Phase des «Nicht-Wahrhaben-Wollens» und der Tren­nung folgt die Phase der aufbre­chen­den Gefühle. 

Nie leicht­fer­tig

Zu einer gelin­gen­den Bezie­hung gehö­ren immer zwei. Wenn sich – für Aussen­ste­hen­de über­ra­schend – ein lang­jäh­ri­ges Paar trennt, wird oft mit Unver­ständ­nis, Vorver­ur­tei­lung, Mitleid oder hilf­lo­sen Trost­ver­su­chen reagiert. Dies alles bringt Betrof­fe­ne nicht weiter. Leicht­fer­tig tren­nen sich lang­jäh­ri­ge Paare nie. Es steckt immer eine Leidens­ge­schich­te dahin­ter. Diese sorgt letzt­lich für Verlet­zun­gen bei allen Betei­lig­ten. Freund­schaf­ten bröckeln weg. Die Ange­hö­ri­gen müssen sich mit der Situa­ti­on arran­gie­ren. Die Erwerbs­ar­beit muss allen­falls aufge­stockt werden und manch­mal entgleist die finan­zi­el­le Situa­ti­on trotz­dem. Das alles zehrt an den Nerven und frisst Ener­gie. Da sind Gott­ver­trau­en und Kontak­te zu verständ­nis­vol­len Menschen in ähnli­cher Situa­ti­on eben­so hilf­reich wie profes­sio­nel­le Hilfe. Das Semi­nar «Trennung/Scheidung» kann der erste Schritt in eine neue selbst­be­wuss­te und eigen­stän­di­ge Rich­tung sein. Es sorgt für Klar­heit und Perspektiven.

Matthi­as Koller Filli­ger (Bild) und Sonja Kroiss haben die Teil­neh­men­den auf ihrem Weg begleitet.

Alle vier Phasen durchleben

Das Trennungs-/Scheidungsseminar gibt es seit eini­gen Jahren nicht nur im Sargan­ser­land. Gelei­tet wird es durch den Theo­lo­gen und Erwach­se­nen­bild­ner Matthi­as Koller Filli­ger von der Fach­stel­le PEF Partnerschaft-Ehe-Familie des Bistums St. Gallen in Zusam­men­ar­beit mit der Katho­li­schen Kirche in der Regi­on Sarganserland-Werdenberg. Als Kontakt­per­son vor Ort beglei­te­te die Seel­sor­ge­rin und Wangs­er Theo­lo­gin Sonja Kroiss die Grup­pen. Auch an ande­ren Orten im Bistum ist der Ablauf so wie in Sargans. Nach einem Einstiegs­abend mit Vorstel­lungs­run­de und Stand­ort­be­stim­mung folgt das Tages­se­mi­nar, in welchem die Betrof­fe­nen dank fach­li­cher Hilfe­stel­lung Perspek­ti­ven für ihr Leben ohne Part­ner oder Part­ne­rin entwi­ckeln können. Dazu legt Matthi­as Koller Filli­ger die vier Phasen der Tren­nung offen. Nach der Phase des «Nicht-Wahrhaben-Wollens» und der Tren­nung folgt die Phase der aufbre­chen­den Gefüh­le. Sie ist allen­falls geprägt von Wut oder Hass auf den oder die Ex. Zugleich kommen Selbst­zwei­fel und Minder­wer­tig­keits­ge­füh­le auf. Einsam­keit und Trau­er machen sich breit. Die Phase der Neuori­en­tie­rung bringt Hoff­nung. Man nimmt das Leben wieder aktiv in die Hand und das Selbst­wert­ge­fühl gesun­det lang­sam. Mit der letz­ten Phase kann ein neues Lebens­kon­zept wach­sen, die eige­nen Stär­ken kommen wieder zum Vorschein. Eine Abkür­zung gibt es auf diesem teils jahre­lan­gen Weg nicht, wohl aber Umwe­ge und Rück­fäl­le. Heute, ein halbes Jahr nach dem Tages­se­mi­nar, sagt B.: «Ich wäre gern ganz normal mit ihr befreun­det.» Doch aus seinen Worten wird auch klar: Bis dahin scheint es noch ein langer Weg zu sein. Ende offen.

Text und Bild: Kath­rin Wetzig

Veröf­fent­licht: 2. August 2024

Semi­nar Trennung/ Schei­dung in ­St. Gallen

Das nächs­te Mal wird das Semi­nar in St. Gallen ange­bo­ten am 4. Novem­ber 2024, 18.30 bis 21 Uhr, 16. Novem­ber 2024, 9 bis 18 Uhr, Mai 2025 Nach­tref­fen, Leitung: Urszu­la Pfis­ter, Seel­sor­ge­rin, Heilig­kreuz St. Gallen, und Matthi­as Koller Filli­ger, Fach­stel­le PEF, Ort: DAJU, Weber­gas­se 15, St. Gallen. Die Anzahl Teil­neh­men­de ist beschränkt, Anmel­dung bis 28. Okto­ber: Urszu­la Pfis­ter, Fede­r­erstr. 12, 9008 St. Gallen, Tel. 071 224 07 34, urszula.pfister@kathsg.ch. Teil­nah­me­bei­trag: Fr. 50.– pro Teil­neh­mer (inkl. Mittag­essen am Sams­tag). Bei finan­zi­el­len Fragen bitte an Urszu­la Pfis­ter wenden. Es sind nur Einzel­an­mel­dun­gen möglich, keine getrenn­ten Paare.

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