«Ein Weg, hinter dem wir stehen»

Was braucht es, um in einer Berg­zo­ne zu land­wirt­schaf­ten? Welche Rolle spie­len dabei Ehren­amt­li­che? Kitti und Hans­pe­ter Schl­äp­fer aus Ricken geben Einbli­cke in ihren Betrieb samt Alp. Seit einem Jahr werden sie von Caritas-Bergeinsatz unterstützt.

Der Blick fällt von der Alp Rittmar­ren bei Gommis­wald über Hügel und Wälder bis hinun­ter in die Ebene rund um den Ober- und Zürich­see. Die 7‑jährige Alina läuft aus der alten Scheu­ne, die zum Hasen- und Hühner­stall umfunk­tio­niert ist. «Ihr braucht unbe­dingt ein Foto von den Hasen», ruft sie. Viel­leicht sollen bald ein paar Geis­sen folgen. Ihre Eltern, Kitti und Hans­pe­ter Schl­äp­fer, möch­ten einen klei­nen Strei­chel­zoo für die Tages­gäs­te der Alpwirt­schaft und vor allem für deren Kinder eröff­nen. Vor weni­gen Tagen wurde zudem der Neubau einge­weiht, in dem sich das Restau­rant befin­det. Das alte baufäl­li­ge Gebäu­de soll demnächst abge­ris­sen werden.

Neuer Stall geplant

Die junge Fami­lie hat die Alp Rittmar­ren in diesem Jahr neu gepach­tet. «Es war schon immer mein Traum, meinen Betrieb zu vergrös­sern und eine eige­ne Alp zu haben. Das Restau­rant gehört zu diesem Paket eben dazu», sagt Hans­pe­ter Schl­äp­fer. Sein Bauern­hof, der Schö­nen­berg­hof, befin­det sich zehn Auto­mi­nu­ten entfernt am Ricken­pass. 46 Kühe, Rinder und Kälber leben dort – und fort­an im Sommer auf der Alp – in Mutter­kuh­hal­tung. Hinzu kommen Schwei­ne, Scha­fe und eini­ge Trut­häh­ne. Die Fami­lie bewirt­schaf­tet ihren Betrieb in den Berg­zo­nen I und II auf 840 Metern über Meer. Dies bedeu­tet, dass alles vom eige­nen Hof stammt und kein Tier­fut­ter und Einstreu ausser für die Klein­tie­re hinzu­ge­kauft wird. Die Kühe sind während hundert Tagen im Jahr draus­sen auf der Alp. Das Fleisch, das Hans­pe­ter Schl­äp­fer produ­ziert, trägt das Label «Natura-Veal» oder «Natura-Beef». Diese zeich­nen Betrie­be für ihre artge­rech­te Haltung aus. Auch der WWF Schweiz empfiehlt die Labels. «Aller­dings sind mir diese Labels zu wenig trans­pa­rent. Ich plane einen neuen Stall mit angren­zen­der Metz­ge­rei. So können die Rinder und Kälber während des Fres­sens geschlach­tet werden, ohne dass sie in Stress gera­ten», sagt der 34-Jährige. Aktu­ell würden die Tiere mit dem Last­wa­gen abge­holt und zur Metz­ge­rei in Oensin­gen in Solo­thurn gefah­ren. «Wir möch­ten einen Weg gehen, hinter dem wir von A bis Z stehen können. Meinen Tieren soll es die ganze Zeit gut gehen», sagt er. Die Baube­wil­li­gung für den Stall sei da. In den kommen­den Wochen soll es mit dem Baupro­jekt losgehen.

Ein Hof in drit­ter Generation

Den Bauern­hof im Schö­nen­berg hat Hans­pe­ter Schl­äp­fer zusam­men mit seiner Frau vor elf Jahren in drit­ter Gene­ra­ti­on von seiner Mutter über­nom­men. Dass er Bauer werden wollte, war für ihn immer klar. «Und von meinen Geschwis­tern hatte niemand Inter­es­se am Hof», sagt er. Die Alpwirt­schaft sei für ihn und seine Frau eine Chan­ce, ihre eige­nen Produk­te anzu­bie­ten und zu vermark­ten. Sieben Tage pro Woche hat das Restau­rant in der Sommer­sai­son geöff­net. Für die Menüs und den Service ist Kitti Schl­äp­fer zusam­men mit einer Mitar­bei­te­rin zustän­dig. Am Abend und an den Wochen­en­den oder wenn beson­de­re Anläs­se wie etwa Geburts­ta­ge oder der jähr­li­che Alpgot­tes­dienst Ende August anste­hen, arbei­tet auch Hans­pe­ter Schl­äp­fer im Restau­rant mit. Für grös­se­re Grup­pen mit bis zu hundert Perso­nen hat er den alten Stall gegen­über heraus­ge­putzt und mit langen Bänken und Tischen sowie zwei gros­sen Kanal­grills für Spies­se neu eingerichtet.

Gelas­sen­heit als Ziel

Seit einem Jahr werden Kitti und Hans­pe­ter Schl­äp­fer wochen­wei­se von Frei­wil­li­gen unter­stützt, die ihnen über das Projekt «Bergeinsatz.ch» der Cari­tas vermit­telt werden. Diese helfen ausschliess­lich in der Land­wirt­schaft, nicht im Restau­rant mit. Ein Bekann­ter hatte sie auf das Unter­stüt­zungs­an­ge­bot aufmerk­sam gemacht. Gelas­se­ner zu werden, das sei es, was er aus den Begeg­nun­gen mit den Frei­wil­li­gen mitneh­me, sagt Hans­pe­ter Schl­äp­fer. «Ich bekom­me oft zu hören, ich solle nicht so schnell arbei­ten.» Die Freiwilligen seien eine gros­se Unter­stüt­zung, gera­de wenn sie – wie eine Person im vergan­ge­nen Jahr – gleich ein paar Wochen blei­ben würden. Viele seien oft erstaunt, wie viel Arbeit hinter einem Land­wirt­schafts­be­trieb stecke und was es alles brau­che, um auf diese Weise Fleisch produ­zie­ren zu können.

Zwischen Stier und Pferden

Die Frei­wil­li­ge, die die Fami­lie in dieser Woche hätte unter­stüt­zen sollen, ist krank­heits­hal­ber ausge­fal­len. Und Kitti Schl­äp­fer muss an diesem Vormit­tag ausser­plan­mäs­sig weg zu einem Termin. So sind es Vater und Toch­ter, die über die Alp führen. Es geht vom Restau­rant hinun­ter zur Weide mit den drei Pfer­den. «Passt auf, eines ist frech», warnt Alina. Und einen Stier gebe es hier auch noch irgend­wo. Hans­pe­ter Schl­äp­fer zeigt zum Wald­rand. «Ich bin dabei, all die alten Stachel­dräh­te auf der Alp zu entfer­nen und mit Elek­tro­zäu­nen zu erset­zen», sagt er. Früher seien Stachel­dräh­te auf den Alpen üblich gewe­sen, um die Nutz­tie­re zu schüt­zen. «Aber bei den Wild­tie­ren verur­sa­chen die Stachel­dräh­te schlim­me Verlet­zun­gen», sagt er. Die Arbeits­ta­ge von Hans­pe­ter Schl­äp­fer begin­nen um 6 Uhr morgens auf der Alp. Er füttert die Klein­tie­re, schaut nach den Tieren auf der Alp, mistet die Stäl­le und mäht oder holzt je nach Jahres­zeit. Auf die Frage, wo er Ausgleich finde, sagt er: «Ja, halt gleich hier draus­sen in der Natur. Da hole ich meine Kraft her.»

Stei­le Hänge und Handarbeit

  • Seit über 40 Jahren vermit­telt Caritas-Bergeinsatz Frei­wil­li­ge in der ganzen Schweiz an Bergbauernfamilien.
  • 2024 wurden 873 Frei­wil­li­ge im Alter zwischen 18 und 70 Jahren vermit­telt und 130 Berg­bau­ern­fa­mi­li­en erhiel­ten Unterstützung.
  • Die Höfe erhal­ten Unter­stüt­zung, wenn sie sich in einer Berg­zo­ne befin­den. An den stei­len Hängen kann nicht mit Maschi­nen gear­bei­tet werden und es ist Hand­ar­beit gefragt. Die Fami­lie muss sich in einer Ausnah­me­si­tua­ti­on befin­den wie Krank­heit, Unfall, Schwan­ger­schaft, Baupro­jek­te, Hofüber­nah­men, Unwet­ter oder die inten­si­ven Sommermonate.

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Text: Nina Rudnicki

Bilder: Urs Bucher

Veröf­fent­li­chung: 20. Juni 2025

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